L U S T.
Sicher kennt fast jeder das Gefühl, wenn man verrückt nach dem Leben ist. Verrückt nach Freude, Genuss, Freunden. Oft habe ich das Gefühl am Leben nur zu knabbern, anstatt voll hineinzubeißen.
Unlängst roch es verschwörerisch nach Gewürzen, es duftete nach Heu, nach Wasser. Die Vögel trällerten quietschfidel und posaunten allerhand in die Welt hinaus. Hach, wie gut es mir doch geht. Keine Armut, keine Krankheit, kein Zwist in Sicht.
Und dann kam der Hauch eines Aromas, der mich sofort an meine Jahre in Florenz erinnerte: Pasta, Wein, frisch gebackenes Brot. Oh, was klopfte mein Herz schneller. Wie flau meine Magengegend, als ein paar Sätze auf Italienisch wohlklingend an mein Ohr drangen.
Auf einmal klingelte mein Whats App. „Viv, ich bin hier. Ganz in deiner Nähe. Komm, lass uns ein, zwei, drei … Gläser zusammen trinken. Am besten zwanzig. Auf die Jahre in denen wir uns nicht mehr gesehen haben. Hier die Route… Ciao.“
Oh wow. Natürlich komme ich. Wir trafen uns zum Steak essen. Wir ließen uns von einem zauberhaften Ambiente verführen. Kling – Kling machten die Gläser. Schnatter – Schnatter machten unsere Mäuler. Mein ehemaliger Mitbewohner ist Winzer. Wie sehr ich diese Zeit vermisst habe. Ich war erst zarte siebzehn. Vom Leben keine Ahnung. Von der Droge Genuss schon gar nicht. Ich weinte stille, heiße Tränen nach meiner Trennung von Italien. An diesem Abend wurde ich wieder daran erinnert:
Wie heiß das Leben ist. Wie anschmiegsam es sein kann. In den letzten Jahren hat es viel zu selten angeklopft. Zu viel Krankheit und Tod war mein Mittelpunkt gewesen. Nun, endlich, brät mich das Leben wieder schüchtern an. Es öffnet mir tänzelnd sein Herz.
Es flüstert und erzählt mir vom Meer, von den Schiffen und Reisen, den unterschiedlichen Kulturen. Ich werde schwach.
© Vivian Stain 2020-07-02